Heutzutage gibt es in der westlichen Zivilisation mehr Bücher denn je. Die Qualität und der Inhalt dessen kann stark variieren, aber dennoch sollte ihr Wert entsprechend gewürdigt werden. Für uns Studenten und Ingenieure sind Bücher primär eine günstige Informationsquelle und quasi der erste “Ansprechpartner”, wenn wir uns Wissen aneignen wollen. Aber es gibt auch Tücken, über die man bescheid wissen sollte…
Kennt Ihr das Gefühl, wenn Ihr vor einer großen Herausforderung steht (z. B. Schule, Studium, Prüfung, Beruf) und Ihr zu euch sagt: “Jetzt fange ich an zu lernen”? Die Motivation, etwas zu lernen, ist plötzlich da und sofort denkt Ihr an die Bücher! Bücher über Mathematik, Physik, Informatik, Chemie, Regelungstechnik, Konstruktionslehre, Hochfrequenztechnik, Programmiersprachen, Elektrotechnik, BWL/VWL, Physikalische Chemie, Halbleiter-Schaltungstechnik, Projektmanagement, … was euch halt interessiert.
Ihr besorgt euch das Buch/die Bücher in einer Bibliothek oder kauft es auf dem Flohmarkt oder im Internet. Was danach folgt ist sehr schwer abzuschätzen. Meine persönlichen Erfahrungen waren beispielsweise
- Ich blättere das Buch kurz durch und kaufe es bzw. leihe es aus. Der Inhalt war auf dem ersten Blick interessant und erschien mir als relevant. Zuhause angekommen, lege ich die Bücher zur Seite und habe fortan einen hübschen Staubfänger (beliebig hoch stapelbar) 😉
- Ich leihe mir in der Bibliothek 5-10 Bücher über ein bestimmtes Thema aus. Zuhause stelle ich fest, dass nur 1-2 Bücher halbwegs brauchbar sind, der Rest hingegen entweder total unverständlich oder über bzw. unter meinem Wissensstand ist. Da ich die ca. 10 kg schwere Fracht nicht zurück in die Bibliothek schleppen möchte, verlängere ich solange, bis ich die Sachen zurückgeben muss
- Ich nehme mir vor, ein bestimmtes Lehrbuch von Anfang an bis zum Ende durchzuarbeiten! Nach dem 2. oder 3. Kapitel merke ich, dass das Buch nicht gut ist (zuviel Theorie oder zu knapp erklärt oder kaum Übungsaufgaben/Lösungshinweise) und verliere das Ziel aus den Augen. Ich lege das Buch zur Seite und bin wieder dort, wo ich angefangen habe
- Oft leihe ich mir Bücher aus über ein Thema, welches offtopic ist – also vom Thema abweicht. Es ist zwar interessant etwas über “Elektronische Schaltungen” zu erfahren, aber wenn das Lernziel “Fehlerrechnung” oder “Anorganische Chemie” ist, dann nützt mir das Buch wenig. Typisches Beispiel für Prokrastination (a.k.a. Aufschieberitis) 😉
- Ich habe versucht aus dicken Wälzern zu lernen (also schwere Bücher, mit denen man sich selbst oder andere Personen verletzen könnte). Die brauchen viel Platz auf meinem Schreibtisch, sind sehr schwer zu handhaben und sind durchaus sehr unterschiedlich gestaltet (z. B. was die Schriftgröße, Abbildungen etc. betrifft). Auf jeden Fall tut mir nach einer Weile der Arm weh oder mein Rücken ist verspannt… was dann dazu führt dass ich das Buch zur Seite lege und mich lieber mit Computerspielen bei einer Tasse Kaffee ablenke
- Ich sammle gerne Bücher, weil es sie gibt (könnten eventuell irgendwann mal nützlich sein, auch als Brennstoff während des Nuklearen Winters im Jahre 20…) 😉
Habt Ihr die gleichen Erfahrungen gemacht? Oder war es noch extremer? Alles ganz normal, keine Panik! Im Vergleich zur Unterhaltungsliteratur wie z. B. Science-Fiction Romanen oder Krimis sind Sachbücher recht speziell gehalten. Sie können auf eine bestimmte Zielgruppe abgestimmt sein (Schüler, Studenten, Facharbeiter, Juristen, Betriebswirte) und ein unterschiedlich hohes Niveau haben. Und hierbei gilt es, das passende Buch zu finden. Das ideale Buch wäre eine eierlegende Wollmilchsau, welche folgende Eigenschaften haben müsste:
- sehr verständlich, sehr anschaulich, fehlerfrei
- viel bzw. wenig Theorie, am besten auf meinen Studiengang abgestimmt
- viele Grafiken, am besten mehrfarbig, bunt oder doch lieber schwarzweiß
- viele Übungsbeispiele mit Lösungswegen
- leicht zu handhaben, schickes Design, einzelne Seiten sollten leicht kopierbar sein
- mit E-Mail, Forum und Telefonnummer zur Physiker-Selbsthilfegruppe,
Öffnungszeiten 0-24 h 😉 - inklusive eines magischen Kapitels, das die Lösung all Eurer Probleme enthält…
Wie realistisch ist es nun, DAS Buch zu finden, in dem Ihr all Eure Antworten findet? Meiner Einschätzung nach ist die Chance sehr gering bzw. es kommt auf die Anforderung an. Es ist etwas realistischer, dass ein Buch als Nachschlagewerk taugt und eventuell nur einige wenige spezielle Fragen beantworten kann. Alles andere muss leider selbst recherchiert werden und das kostet viel Zeit. Nun ja, im Studium ist Eure Zeit eine wichtige Ressource und Bücher können als Zeitsenken betrachtet werden. Ich habe kein Patentrezept für Euch, aber folgende Tipps könnten Euch helfen, das richtige Buch in der Bibliothek zu finden
- Zunächst solltet Ihr Euren persönlichen Wissensstand etwas einschätzen. Seid Ihr blutige Anfänger? Anfänger mit Vorwissen (also alles wieder vergessen)? Erfahren aber mit Wissenslücken? Experten? Guru/Gott/Superman/Nerdstomper/Scienceguy himself? Es ist wichtig, sich selbst einschätzen zu können – es wäre doch schade, wenn Ihr ein bestimmtes Thema bearbeiten müsst und es dann an elementaren Sachen wie Bruchrechnung oder Dreisatz scheitert
- Die Fragen nach dem “Was muss ich wissen? Was ist für mich wichtig?” solltet Ihr präzise beantworten können. Wenn die Antwort unscharf formuliert ist, z. B. “Integralrechnung”, dann kann es sein, dass Ihr auf dem Weg dahin – nämlich die Integralrechnung zu meistern – zu viele Hürden überwinden müsst. Eine stichpunktförmige Antwort nach dem Motto “Für die Klausur muss ich die Partialbruchzerlegung üben, dazu die Stammfunktionen von Polynomen oder logarithmischen Funktionen berechnen können”. Wenn sich die Fragen nicht eindeutig beantworten lassen, so muss man andere um einen Rat bitten (z. B. Eure Lehrer/Profs, Freunde oder Kommilitonen). Die wissen eventuell genauer, worauf es ankommt und können Euch eine Menge Frust ersparen
- Für die Auswahl der Bücher etwas Zeit einplanen. Auf den ersten Blick kann ein Buch recht interessant sein. Hierzu reicht eine schöne Grafik (“eyecatcher”) oder eine Gleichung, die man schon kennt. Auf jeden Fall lohnt es sich, das Inhaltsverzeichnis zu checken (wieviele Kapitel haben mit meinem Thema zu tun?) und ein bisschen probe zu lesen. Nach 2-3 Seiten merkt man, ob die Sprache des Autors verständlich rüberkommt oder ob der Text bzw. der Inhalt sehr abstrakt gehalten ist
- Maximal 3 Bücher pro Thema/Gebiet. Mehr auszuleihen lohnt nicht immer. Viel Literatur benötigt man bei sehr speziellen Themen, welche z. B. in Projekten bzw. Diplom- und Bachelor-/Masterarbeiten bearbeitet werden müssen. Neben Büchern nützt Ihr noch das Internet, Skripte oder andere Literaturquellen wie Publikationen oder alte Protokolle. Für Grundlagenfächer wie Mathematik oder Physik reichen meist sogenannte “Standardwerke”
- Versucht mit dem ausgesuchten Buch etwas länger zu arbeiten (z. B. ein Monat oder ein ganzes Semester). Die Autoren verwenden z. B. die eigene Formelnotation sowie Sprache und der Verlag einen typischen Layout. Die Gleichungen und Herleitungen in den jeweiligen Büchern können von der Darstellung her unterschiedlich sein, führen aber meist zum gleichen Ergebnis.
- Mit steigender Erfahrung bzw. in höheren Semestern auch mal in die “unbeliebten Bücher von damals” reinschauen. Euer Wissen erweitert sich ständig und das Buch von “damals” könnte sich als durchaus nützlich erweisen.
- Auch Bücher enthalten Fehler. Dafür könnt Ihr nichts, aber dessen solltet Ihr euch bewusst sein. Am besten Ausschau nach der neuesten Auflage halten. Es gibt dennoch Fehler, die über mehrere Auflagen hinweg unentdeckt bleiben
- Weiterempfehlen bzw. Empfehlung einholen! Gebt Eure Erfahrungen an andere Studis und Freunde weiter. Sagt ihnen, was Euch an diesem Buch besonders gut gefallen hat. War es zu kompliziert? Oder fehlte ein bestimmtes Thema? Passt es gut zum Studium?
- Falls ihr Bücher nicht ausstehen könnt, probiert es mit den E-Books. Diese werden an allen Hochschulen kostenfrei zum persönlichen Gebrauch angeboten. Damit erspart ihr euch die Schlepparbeit und könnt z. B. schneller an die gewünschten Informationen kommen. Dennoch gibt es Lerntypen, die ein Buch in den Händen halten müssen und sich nicht vor dem Monitor auf das Lesen konzentrieren können.
Leider kann man nicht alles aus den Büchern lernen. Ein kleiner Nachteil ist auch, dass die Bücher nicht mit einem reden. Sie können nicht mit uns diskutieren oder uns korrigieren und uns das Denken über den Blattrand hinaus beibringen. Das lernt man dann woanders 😉 Dennoch sollte man sie nicht schlecht reden. Carl Sagan hat es sehr treffend formuliert mit
Books, purchasable at low cost, permit us to interrogate the past with high accuracy; to tap the wisdom of our species; to understand the point of view of others, and not just those in power; to contemplate — with the best teachers — the insights, painfully extracted from Nature, of the greatest minds that ever were, drawn from the entire planet and from all of our history. They allow people long dead to talk inside our heads. Books can accompany us everywhere. Books are patient where we are slow to understand, allow us to go over the hard parts as many times as we wish, and are never critical of our lapses. Books are key to understanding the world and participating in a democratic society.
— Carl Sagan, The Demon-Haunted World: Science as a Candle in the Dark (1995), Ch. 21: The Path to Freedom.
Ich werde von Zeit zu Zeit den Literaturbereich mit Literaturvorschlägen füllen. Stay tuned! 😀