Amateurfunk-Challenge - [ARCHIVED]

Dieser Eintrag wurde archiviert. | This post has been moved to the status \"archived\". ~~ 2021/12 dn

Ich finde es ein wenig bedauerlich, dass ich während meines Studiums der Physikalischen Technik kaum in Kontakt mit der Elektrotechnik (ET) kam. Die ein-semestrige ET-Vorlesung behandelte nur die Berechnung von Widerstandsnetzwerken (Anwendung der Kirchhoffschen Gesetze). Die Behandlung von induktiven und kapazitiven Elementen, Filtern, linearen und nichtlinearen, aktiven und passiven Bauelementen sowie Transformatoren war für PT-Studenten nicht vorgesehen, da wir eine gemeinsame Vorlesung mit Erstsemestern der ET hatten. Sie war nun mal auf 2 bis 3(?) Semester ausgelegt und somit für uns eher ungeeignet…

Auch von der praktischen Seite aus sah es im Studium eher mager aus. Es gab ein Fortgeschrittenen-Labor, in dem wir Studis einfache Schaltungen (RLC-Schwingkreis, Hoch- und Tiefpass, Aufnahme von Diodenkennlinien) untersucht haben. Im Rahmen eines Mikrocomputertechnik-Projekts konnte ich ein wenig basteln, was mir wirklich viel Spaß bereitet hat. Ich habe mich (mit viel Mühe) in das Gebiet der Mikrocomputertechnik eingearbeitet. Der Lerneffekt war einfach riesig und die Freude umso größer, als die selbst gelötete Schaltung das gemacht hat, was sie machen sollte.

Im privaten Umfeld kannte ich kaum Leute, die sich mit Elektronik oder Elektrotechnik beschäftigt haben. Mein Bruder ist als selfmade-Elektriker sehr talentiert, wenn er im Rahmen seines Jobs als Veranstaltungstechniker selbst Hand anlegen muss (verkabeln, defekte Teile tauschen, kleinere Reparaturen durchführen etc.). An der ET-Theorie ist er jedoch nicht so interessiert, was auch verständlich ist: Wozu einen Stromverteiler dimensionieren? Prinzipiell reichen Industriesteckverbinder, Kabel mit hohem Leitungsquerschnitt und teure FI-Schalter… hehe

Mit einem ET-Gebiet kam ich während des Studiums öfter in Kontakt: der Hochfrequenztechnik (HF/RF). Während meines Praxissemesters und einer Tätigkeit als Tutor im Labor für Mikrowellentechnik habe ich dielektrische Größen ($$\varepsilon_r’, \varepsilon_r”, \tan \delta$$) an Ferriten und Keramiken gemessen. Die Theorie, die dahinter steckt, ist sehr anspruchsvoll und ich habe mich stets darüber geärgert, dass ich sie in den entsprechenden Vorlesungen nur häppchenweise mitnehmen konnte. Dazu gehörten beispielsweise die Maxwell-Gleichungen der Elektrodynamik, Leitungstheorie, Theorie über Hohlleiter/Hohlraumresonatoren und Materie im HF-Feld.

Jetzt, wo ich mit dem Studium fertig bin und gelegentlich mit ET’lern zu tun habe, sprechen wir öfters mal über HF-bezogene Themen, von denen ich leider gar keine Ahnung habe. Wie erzeugt man schmale Radarpulse mit einer Halbwertsbreite von 10 ns? Was ist ein(e) PLL? Wie designe ich eine Antenne mit entsprechender Simulationssoftware? Argh!

Was macht ein Ingenieur in solch einem Fall? Genau… Immer nicken und dabei lächeln. 😉 Nichtssagende Antworten geben wie “Toll!” oder “Genial!” und immer die Worte des Gesprächspartners wiederholen (Satzbau ändern und nicht vergessen, dabei zu nicken!). Kurz: Intelligenz/Kompetenz vortäuschen. Sowas ärgert mich unheimlich. Was kann man dagegen tun? Googlen? Wikipedia abchecken? Bedingt.

Lieber zunächst zugeben, dass das Gesprächsthema sich von dem, was man während des Studiums gelernt hat, zu sehr entfernt und den Gesprächspartner drum bitten, etwas nachsichtig zu sein. 🙂

Ich habe dennoch immer wieder festgestellt, dass sich die HF-Technik “nur” angewandte Physik ist. Es gibt eine Menge an Analogien aus der Optik und der Mechanik, die zunächst komplizierte HF-Sachverhalte stark vereinfachen können (z. B. wenn es um die Brechung und Reflexion von mechanischen bzw. elektrischen Wellen geht). Was eine elektromagnetische Welle ist weiß ich — wie man sie schaltungstechnisch realisiert, weiß ich leider nicht. Also: alles halb so schlimm.

Das ist auch meine Motivation, an einem freiwilligen Amateurfunk-Lehrgang teilzunehmen. Ich kenne die physikalischen Zusammenhänge zwischen EM-Feldern und Materie, muss mir von daher nur das (betriebs-)technische Fachwissen aneignen. Im Amateurfunk werden ebenfalls Themen aus der Nachrichtentechnik, Analog- und Digitaltechnik, Elektrotechnik, Elektronik, Antennen- und Messtechnik angeschnitten. Man verschafft sich somit einen guten Überblick über die Themengebiete und kann später an einem beliebigen Punkt einsteigen (z. B. Nachrichtentechnik ist sehr interessant, irgendwann…).

Bis zur Amateurfunk-Prüfung in Dortmund sind es nur noch ca. 8 Wochen und ich bin gerade dabei, einen Fragenkatalog der Bundesnetzagentur in der Größenordnung von ca. 1500 Fragen zu bearbeiten. Es handelt sich dabei um Multiple-Choice Fragen, wobei der Schwierigkeitsgrad der Fragen sehr stark variiert. Von U=RI bis zur Hühnerleiter-Antenne ist alles dabei 😉

Ich kann Studenten/Berufstätigen/Senioren nur empfehlen, sich neben dem Studium/Job in der Freizeit mit fachfremden Themen auseinanderzusetzen. Erweitert stets Euren Horizont. Ihr müsst ja nicht zu jedem Thema mitreden können aber “nicken und lächeln” ist so ziemlich das Schlimmste, was einem passieren kann 🙁

Frohes Fest und viel Erfolg im neuen Jahr!
Denis